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Mit Kinderwagen im Bundestag

Mit Kinderwagen im Bundestag
Diana Golze, Jana Schminke und Tina Fischer über ihr Leben als Politikerinnen und Mütter

Diana Golze und Tina Fischer sind es bereits, Jana Schimke wird im Frühjahr Mutter. Und alle sind von Beruf Politikerinnen, sind Ministerin oder sitzen im Land- bzw. Bundestag. In der MAZ sprechen sie darüber, wie sie Beruf und Familie unter einen Hut bekommen. Sie setzen auf pragmatische, unkonventionelle Methoden und klare Prioritäten.

Es sind nur noch wenige Wochen, dann wird sich das Leben der Bundestagsabgeordneten Jana Schimke (CDU) ziemlich verändern. Die 35-Jährige erwartet ihr erstes Kind. „Ende Februar soll es soweit sein“, erzählt Jana Schimke und ein breites Lächeln überzieht ihr Gesicht. Dann verrät sie: „Es wird ein Junge.“

Die ersten Strampler haben sie und ihr Lebensgefährte schon gekauft, auch Babyfläschchen und der Kinderwagen stehen bereit. Doch viel Zeit bleibt der Abgeordenten derzeit nicht, um sich auf das große Ereignis einzustimmen. Denn gerade jetzt zum Jahresende stehen viele Verpflichtungen auf dem Programm – Gesprächstermine, Sitzungen, Weihnachtsfeiern und ähnliches. „Ich möchte gerne alles wahrnehmen und mich zeigen. Aber ich muss nun auch lernen, Nein zu sagen. Dafür haben die Leute aber Verständnis“, sagt die CDU-Politikerin. Oftmals versuche sie die Termine einfach auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben, aber das ist nicht einfach, ihr Kalender ist meist auf vier bis sechs Wochen ausgebucht. Und ab Mitte Januar beginnt der Mutterschutz der 35-Jährigen. Und dann steht erst einmal die Familie im Vordergrund.

Abendtermine gehören für Politikerinnen zum Alltag

Doch mit einer Geburt ändert sich nicht nur das Privatleben der Eltern, auch im politischen Leben entstehen neue Herausforderungen – das ist eine Erfahrung, die bereits einige Politikerinnen aus Dahme-Spreewald und Teltow-Fläming gemacht haben. „Für alle berufstätigen Mütter ist es ein Spagat, Haushalt, Kinder und den Beruf auf die Reihe zu bekommen. Für Politikerinnen kommt noch ein zusätzlicher Aufgabenberg hinzu, der bewältigt werden muss. Und da gehören zum Beispiel viele Abendtermine dazu“, sagt Tina Fischer (SPD). Die Landtagsabgeordnete ist Mutter von zwei Töchtern – die jüngere ist drei, die ältere sechs Jahre alt und im Sommer eingeschult worden.

Partei-Treffen, Ortsbeirats- und andere Sitzungstermine beginnen oft erst um 19 Uhr, erläutert die 43-Jährige. „Da ist man nicht um 17 Uhr zuhause. Man muss schon gucken, wie man das mit den Kindern hinbekommt. Da muss man Prioritäten setzen“, sagt Fischer. In ihrer Familie heißt das: Sperrzeiten im Kalender eintragen. Zwei bis drei Abende pro Woche sind für die Familie reserviert. „Dann hole ich die Kinder um 15 Uhr ab und dann passiert nichts mehr“, sagt sie. „Und wenn die Mädchen im Bett sind, wird dann noch einmal der Rechner hochgefahren, werden Anfragen gecheckt und Informationen gesichtet. Es ist alles eine Sache der Organisation“, sagt Tina Fischer.

Organisation ist für Diana Golze alles

„Leider ist Politiker kein sehr familienfreundlicher Beruf“, sagt Diana Golze (Linke). Auch die Brandenburgische Sozialministerin und frühere Bundestagsabgeordnete zieht mit ihrem Mann zwei Kinder groß – ihr Sohn ist sechs, die Tochter zehn Jahre alt. Auch für sie gehört eine gute Organisation zum Familien- und Berufsleben. Schließlich sollen Rituale wie das gemeinsames Frühstück eingehalten werden. „Es ist als Ministerin nicht einfacher geworden. Aber die Kinder werden zum Glück größer und selbstständiger. Und ich habe so tolle Kinder, die das mitmachen und auch neugierig sind“, sagt die 39-Jährige stolz. Sie verrät: „Ich musste gleich am ersten Tag im Ministerium Fotos machen, weil sie wissen wollten, wo ich nun arbeite.“

Jana Schimke hofft, dass sie sich trotz der vielen Aufgaben als Politikerin als Mutter die Vorteile ihres Berufs zu nutze machen kann. „Man ist ja sehr flexibel und kann Einfluss auf seine Termine nehmen. Ich habe da Freiheiten. Ich schätze, dass die Situation von Müttern und Vätern in vielen Unternehmen schwieriger ist.“ Zwar wolle sie, dass ihr Kind vor allem in der häuslichen Umgebung aufwächst. „Aber man kann es auch einmal zu einem Termin oder ins Büro mitnehmen“, sagt sie.

Mit Kinderwagen im Bundestag unterwegs

Auch Tina Fischer und Diana Golze haben das als junge Mütter einst so gehandhabt. Diana Golze war nach der Geburt ihres Sohnes mit dem Kinderwagen im Bundestag unterwegs. „Und auch im Wahlkreis war es kein ungewöhnlicher Anblick, dass ich die Babyschale dabei hatte. Mir war es wichtig, meine Arbeit zu machen und Mutter zu sein“, sagt sie. Nur zehn Wochen nach der Geburt ihrer ersten Tochter stand Tina Fischer wieder am Rednerpult des Brandenburger Landtags. Während sie über Wirtschaftspolitik sprach, drehte ein Mitarbeiter eine Runde mit dem Kinderwagen. „Das war natürlich nicht so ideal“, sagt die zweifache Mutter. Im Nachhinein hätte sie sich mehr Zeit lassen sollen, denkt sie heute. „Man muss sich nichts beweisen, sondern entschleunigen“, ist ihr Rat. Nach der Geburt ihrer zweiten Tochter ging sie wesentlich entspannter an die Sache ran. In dieser Zeit leitete Tina Fischer die Vertretung des Landes Brandenburgs beim Bund. Aber auch da war es nichts besonderes, dass die Staatssekretärin bei einer Rede ihr Baby im Arm hielt.

Wie und wann Jana Schimke wieder voll aufs politische Parkett zurückkehrt, das hat sie noch nicht entschieden. Bis April dauert auf jeden Fall ihr Mutterschutz. „Ich werde spontan sehen, wie ich in dieser Zeit meine Arbeit im Wahlkreis wahrnehmen kann“, sagt die 35-Jährige. Für die Sitzungen im Bundestag ist sie dann freigestellt.

Diskussionen zu Famlienfreundlichkeit sollen nicht erst um 23 Uhr angesetzt werden

Doch das war nicht immer so. Erst nach der Jahrtausendwende hatten sich die Bundestagsabgeordneten die Regelung des Mutterschutzes erstritten. Das Elterndasein im Bundestag – das heißt eben auch oftmals, für seine Rechte zu kämpfen. Diana Golze setzte sich zum Beispiel vor vielen Jahren dafür ein, dass für Abgeordnete mit Kindern im Krankheitsfall der Kleinen die gleichen Regeln herrschen wie für Angestellte. Mittlerweile ist es Normalität, dass die Politiker sich für die Pflege ihres kranken Kindes krankschreiben lassen können.

Die Eltern im Bundestag haben sich aber auch dafür stark gemacht, dass Themen, die Familienfreundlichkeit und Familienpolitik betreffen, nicht weiterhin um 23.30 Uhr auf die Tagesordnung im Bundestagsplenum gesetzt werden. „Zum Glück gibt es immer mehr Abgeordnete mit Kindern“, sagt Diana Golze, denn nur so könne man etwas verändern. Und das sei auch in der freien Wirtschaft so. Für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sei es unerlässlich, dass mehr junge Eltern – egal, ob Mütter oder Väter, an die entscheidenden Stellen kommen.

Jana Schimke will nicht alles planen

Auch Jana Schimke wird sich nun bald all diesen Herausforderungen stellen müssen. Und sie ist optimistisch. Sie will sich mit ihrem Lebensgefährten die Betreuung des Sohnes tages- und stundenweise aufteilen, zudem will er Elternzeit nehmen. „Ich denke aber, man ist gut beraten, wenn man nicht zu viel plant“, sagt die Bundestagsabgeordnete, schließlich komme es meist ganz anders, als man denkt. Eine Sache hat sie sich aber fest vorgenommen: die freien Tage an Weihnachten zu nutzen, um das Kinderzimmer einzurichten.

Kinderreiches Parlament

Die Abgeordneten im Bundestag werden rechtlich wie Selbstständige behandelt. In der Ausgestaltung ihres Mandats sind sie ihrem eigenen Gewissen verpflichtet.

Der Mutterschutz ist in Deutschland gesetzlich geregelt. Werdende Mütter dürfen sechs Wochen vor der Entbindung und bis zum Ablauf von zwölf Wochen nach der Entbindung nicht beschäftigt werden.

Von den 631 Bundestagsabgeordneten haben 422 Kinder. Die kinderreichste Fraktion ist die von CDU/CSU (545 Kinder), die Eltern unter den SPD-Abgeordneten haben insgesamt 256 Kinder, bei der Linken sind es 77, bei den Grüne 72 Kinder (Stand: Juni 2014).

Das häufigste Familienmodell unter den Bundestagsabgeordneten ist eine Ehe mit zwei Kindern.

Die Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) ist die Abgeordnete mit den meisten Kindern – es sind sieben.

Der Deutsche Bundestag hat auch eine eigene Kindertagesstätte mit 162 Plätzen. Diese sind allerdings primär den Verwaltungsangestellten und Mitarbeitern der Fraktionen und Abgeordneten vorbehalten.

Quelle: Märkische Allgemeine Zeitung (Nadine Pensold)