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Helden und Maulhelden beim Mindestlohn

Helden und Maulhelden beim Mindestlohn
Fast geschlossen beschließt der Bundestag den Mindestlohn. Nur fünf CDU-Abgeordnete sagen Nein – vier davon kommen aus Ostdeutschland. Andere, die laut protestiert hatten, stimmten dann doch mit Ja.

Mit überwältigender Mehrheit hat der Bundestag die Einführung eines allgemeinen,gesetzlichen Mindestlohns zum 1. Januar 2015 in Deutschland beschlossen. Nach langen zähen Verhandlungen in der großen Koalition stimmten CDU/CSU und SPD in namentlicher Abstimmung nahezu geschlossen für den Mindestlohn. Auch die Grünen stimmten zu, während sich die Linke – sie fordert einen Mindestlohn von zehn Euro – enthielt.
Von 601 Abgeordneten votierten 535 für den Gesetzentwurf von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD). 61 enthielten sich. Nur fünf stimmten dagegen – allesamt Abgeordnete der CDU. Neben der Agrarpolitikerin Gitta Connemann aus Niedersachsen stammen die standhaften Kritiker alle aus ostdeutschen Wahlkreisen. Trotz der zahlreichen Nachbesserungen bis zur letzten Minute blieben Connemann und die ostdeutschen Parlamentarier Thomas Feist, Andreas Lämmel, Katharina Landgraf und Jana Schimke ihrer Überzeugung treu und stimmten mit Nein.

Die Abgeordneten fürchten vor allem Arbeitsplatzverluste in Ostdeutschland. Andreas Lämmel, direkt gewählter Abgeordneter aus Dresden und Obmann im Bundestagswirtschaftsausschuss, hatte bereits während der Koalitionsverhandlungen darauf gedrängt, keinen gesetzlichen, sondern einen durch die Tarifpartner branchenspezifisch und regional angepassten Mindestlohn zu fixieren.


Ihre grundsätzliche Kritik bleibt ungehört

Um ihren kritischen Standpunkt nochmals klar zu formulieren, hatten die ostdeutschen CDU-Abgeordneten einen Brief an den Fraktionsvorsitzenden geschrieben. Ihre grundsätzliche Kritik am Mindestlohn und seine Folgen für Ostdeutschland blieb jedoch ungehört.

"Ich habe gegen den Mindestlohn gestimmt, weil das Gesetz ordnungspolitisch falsch ist und weit über die Verhandlungen des Koalitionsvertrages hinausgeht", sagte Lämmel nach der Abstimmung im Bundestag der "Welt". "Es ist außerdem zu befürchten, dass die Tarifautonomie nicht gestärkt, sondern weiter ausgehöhlt wird."

Die Leipziger Abgeordnete Katharina Landgraf gab in einer persönlichen Erklärung zu Protokoll: Der Mindestlohn von 8,50 Euro verletzte grundlegende ökonomische Gesetze und erinnere "an die Staatsplanwirtschaft der DDR und an die damaligen Versuche der absoluten Gleichmacherei". Sie lehne das Gesetz auch ab, weil es nicht mit der "erforderlichen Solidität" im Parlament behandelt worden sei.


Angst vor Arbeitsplatzverlust

Die Spreewälder CDU-Politikerin Jana Schimke erklärte: "Ein Mindestlohn von 8,50 Euro wird im Osten Arbeitsplätze kosten." Der Mindestlohn wurde politisch festgelegt und damit ohne Berücksichtigung regionaler und gesamtwirtschaftlicher Bedingungen, klagte Schimke.

Der Leipziger Abgeordnete Thomas Feist kritisierte vor allem, der Mindestlohn schon ab 18 Jahren setze ein falsches Signal für die Berufsausbildung. Gerade für Jugendliche aus sozial schlechter gestellten Verhältnissen sei dies eine Gefahr, da sie eher die finanziell kurzfristige Variante statt einer Ausbildung wählten, um finanziell auf eigenen Füßen zu stehen oder ihre Familie zu unterstützen.


Ex-Kritiker stimmten mit Ja

Andere Kritiker in der Union, die sich im Vorfeld lautstark zu Wort gemeldet hatten, stimmten dagegen am Freitag mit Ja. So etwa der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses Peter Ramsauer (CSU). Nahles Gesetzentwurf widerspreche "Geist und Buchstaben des Koalitionsvertrags" hatte Ramsauer geschimpft und massive Änderungen gefordert.

Noch am Montag hatte er in der "Bild"-Zeitung prophezeit: Viele Wirtschaftspolitiker in der Union würden dem Gesetz nicht zustimmen, da es nach wie vor wirtschaftspolitisch in die falsche Richtung gehe. Dabei hatten die Koalitionsspitzen da die letzten Korrekturen beim Mindestlohn für Zeitungsausträger, Saisonarbeiter und Praktikanten längst festgezurrt.

Am Donnerstag stimmte Ramsauer dann mit Ja – wie auch der stellvertretende Fraktionsvorsitzende aus Baden-Württemberg, Thomas Strobl, oder Fraktionsvize Michael Fuchs. Sie gaben sich dann doch mit den beschlossenen Ausnahmen und Sonderregeln zufrieden. Strobl und Fuchs hatten explizit Ausnahmeregelungen für Saisonarbeitskräfte in der Landwirtschaft gefordert – und auch bekommen. Nun mussten sie Koalitionstreue zeigen.


Doch kein fauler Apfel?

Nicht nur in der Union, auch in der SPD gab es scharfe Kritiker des Gesetzentwurfes aus dem Hause der SPD-Ministerin – ihnen gingen die geplanten Ausnahmen im Entwurf zu weit. Von einem "verfaulten Apfel" hatte Hilde Mattheis, die Vorsitzende der Linken in der SPD noch am Montag gesprochen: "Mit der Festschreibung des Mindestlohns im Koalitionsvertrag hatten wir einen roten Apfel in die Hand bekommen und jetzt zeigt sich, dass er auf der einen Seite verfault ist", hatte sie mit Blick auf die geplanten Ausnahmen erklärt.

Am Tag der Abstimmung lobte sie den Mindestlohn als "Meilenstein", als "Erfolg", der maßgeblich auf die Arbeit der SPD-Linken zurückzuführen sei und stimmte mit Ja. Auch der Bundesvorsitzende der SPD-Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA), Klaus Barthel, der lautstark über die "von der Union erzwungenen Ausnahmen beim Mindestlohn", über die "systematische Durchlöcherung des Mindestlohns bis zur Unkenntlichkeit" gewettert hatte, stimmte dem Gesetz dann doch zu.

Quelle: Die Welt (Stefan von Borstel)