Persönliche Erklärung zur weiteren Aufrechterhaltung der epidemischen Lage

Persönliche Erklärung nach § 31 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages zur Abstimmung über den Antrag „Feststellung des Fortbestehens der epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ (Drs. 19/30398)

Bei der Entscheidung des Deutschen Bundestages über die Feststellung des Fortbestehens der epidemischen Lage von nationaler Tragweite stimme ich gegen den vorliegenden Antrag.

Die Feststellung der epidemischen Lage im März 2020 diente dem Zweck, schnell und möglichst einheitlich auf das wachsende Virusgeschehen zu reagieren, z.B. durch eine zentrale Masken- und Impfstoffbeschaffung in Deutschland. Die vom RKI gemeldete
7-Tage-Inzidenz liegt inzwischen jedoch bei unter 20 Fällen pro 100.000 Menschen pro Tag. In einigen Bundesländern liegt die Inzidenz bereits seit Tagen im einstelligen Bereich. Die Tendenz ist überall deutlich sinkend – auch bei den intensivmedizinisch behandelten COVID-19-Fällen in deutschen Krankenhäusern.

Gleichzeitig beobachten wir weiterhin deutliche Fortschritte bei der Impfkampagne. Über 45 Prozent der Menschen in Deutschland sind mindestens einmal geimpft; mehr als 22 Prozent vollständig. Durchschnittlich werden gegenwärtig täglich ca. 700.000 Impfdosen verabreicht. Die Impf-Priorisierung ist größtenteils entfallen, weil ein sehr großer Teil der besonders Gefährdeten inzwischen durch eine Impfung geschützt ist.

Nach mehr als einem Jahr pandemischer Lage ist nicht nur das Virusgeschehen praktisch zum Erliegen gekommen, auch die Verfügbarkeit medizinischer Schutzmasken sowie mehrerer Impfstoffe konnte durch marktwirtschaftliche Mechanismen geregelt werden. Auf künftige Virusmutationen und die Zunahme von Infektionen sind wir zum heutigen Zeitpunkt deshalb weitaus besser vorbereitet als vor einem Jahr. Sollten erneut Maßnahmen, wie das Tragen von Schutzmasken oder Kontaktbeschränkungen, erforderlich sein, können die Bundesländer, unabhängig von der Feststellung einer epidemischen Lage nationaler Tragweite, darauf reagieren. Wirtschaftliche Hilfen für betroffene Unternehmen oder soziale Leistungen, wie das Kurzarbeitergeld, wurden zwar anlassbezogen zur epidemischen Lage in separaten Gesetzen beschlossen, existieren jedoch unabhängig vom Fortbestand der epidemischen Lage und können jederzeit verlängert werden.

Es ist Aufgabe des Deutschen Bundestages, die Verhältnismäßigkeit zu wahren und mögliche Grundrechtseingriffe auf das absolut notwendige Maß zu reduzieren – so wie es uns das Prinzip unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung gebietet. Es ist daher nicht nachvollziehbar, weshalb in dieser Situation die „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ und mit ihr die weitreichenden Ermächtigungen für die Exekutive zu teils massiven Grundrechtseinschränkungen weiterhin fortbestehen sollten. Stattdessen müssen wir im Rahmen der Möglichkeiten eine Rückkehr zur Normalität ermöglichen.