Persönliche Erklärung zur erneuten Feststellung der epidemischen Lage

Persönliche Erklärung nach § 31 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages zur Abstimmung über den Antrag „Feststellung des Fortbestehens der epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ (Drs. 19/32040)

Grundrechtseinschränkungen dürfen kein Selbstzweck sein. Sie müssen stets einem klaren Ziel dienen und im Umfang sowie zeitlich begrenzt sein. Diese Bedingungen sind aus meiner Sicht beim aktuellen Ersuchen der Bundesregierung um eine erneute Feststellung des Fortbestehens der „epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ nicht erfüllt.

Allgemein anerkanntes Ziel der mit der „epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ einhergehenden Maßnahmen war es stets, eine Überlastung des deutschen Gesundheitssystems zu vermeiden. Von einer solchen Überlastung sind wir heute weit entfernt.

Wie erwartet steigt die Inzidenz seit dem Sommer wieder. Allerdings ist dies weder verwunderlich noch nach gegenwärtigen Erkenntnissen besorgniserregend. Der hohe – und stetig weiter steigende – Anteil der Geimpften und Genesenen in der Bevölkerung sorgt im Vergleich zum Frühjahr 2020 für eine völlig veränderte Situation.

Auch die Möglichkeit, dass die Inzidenz in Zukunft weit über bisher gesehene Höchststände hinaus steigen – und damit im Extremfall tatsächlich eine Überlastung des Gesundheitssystems herbeiführen – könnte, darf nicht als Begründung für Grundrechtseinschränkungen in jenen Zeiten dienen, in denen dies nachweislich nicht der Fall ist.

Vielmehr kann der Deutsche Bundestag jederzeit eine neuerliche „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ feststellen, wenn die Situation auf den Intensivstationen dies erforderlich machen sollte. So sieht es das Infektionsschutzgesetz vor.

Andere Länder gehen diesen Weg. So hat Dänemark kürzlich beschlossen, ab Oktober sämtliche Corona-Einschränkungen aufzuheben – trotz hoher Inzidenz. Selbstredend bedeutet dies nicht, dass Dänemark bei einer ernsten Verschärfung der Lage dem Virus schutzlos ausgeliefert wäre. Das dänische Parlament kann im Bedarfsfall reagieren und notwendige Maßnahmen wiedereinsetzen. Für die Zeit bis zu diesem hypothetischen Fall hat das dänische Parlament mit der Aufhebung jedoch die Freiheitsrechte der Bürger in angemessener Weise gewahrt.

Die deutsche Politik steht in der Verantwortung, präzise zu formulieren, welchem Ziel die gravierenden Grundrechtseinschränkungen in der aktuellen Lage dienen sollen und unter welchen Bedingungen sie sie aufzuheben gedenkt. Da dies offenkundig weiterhin unterbleibt ist ein Fortbestehen der „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ aus meiner Sicht unzulässig. Deshalb stimme ich im Deutschen Bundestag mit „Nein“.